Igersheimer Impulse

"Wir werden es wuppen, wenn wir es entschlossen angehen!“

Die Veranstaltungsreihe „Igersheimer Impulse“ eröffnete 2025 die ARD-Wettermoderatorin Claudia Kleinert mit dem Thema: „Klimakrise – Bedrohung und Chance“.

Es dürfte sicher beides sein, was über 400 Besucher am vergangenen Freitag in die Erlenbachhalle nach Igersheim gezogen hat: Zum einen die Gelegenheit, Claudia Kleinert einmal live zu erleben, zum anderen das Interesse an der Meinung der prominenten Wettermoderatorin zum Thema Klimawandel, von dem nach einer Umfrage von Statista und YouGov aus dem Jahr 2023 rund 60 Prozent der Bundesbürger glauben, dass er stattfindet und dass er von Menschen gemacht ist.

Ein bisschen ist es, als blitze ein heller Sonnenstrahl durch Wolken, als wehe eine frische Brise durch die Erlenbachhalle, wenn Claudia Kleinert vor die große Wetterkarte tritt und ihre blauen Augen, klar wie das Wetter an einem Wintertag, über das Publikum schweifen lässt. „Sieht nicht nur im Fernsehen toll aus“, flüstert eine Zuhörerin ihrem Begleiter ins Ohr. Ob es das perfekte Styling ist, das schwarze, knapp knielange Kleid mit modischen Trompetenärmeln, das blonde Haar, das ihr in lockeren Wellen über die Schultern fällt oder die angenehme Stimme – vom ersten Moment an verzaubert die „Wetterfee“ ihr Publikum. Sie strahlt die Souveränität, die lässige Eleganz einer selbstbewussten Frau aus, die nicht nur das „Wetter im Ersten“ wirkungsvoll zu präsentieren weiß.

Ein „Wetter-Small-Talk mit Claudia“, eine meteorologische Plauderei wird diese Veranstaltung nicht, das ist den Zuhörern schnell klar. Zu drängend, zu ernst ist das Thema. Bereits 1996, während ihres Betriebswirtschaftsstudiums, begann Claudia Kleinert mit der Wettermoderation. Seither befasst sie sich fast täglich mit Wetterkapriolen und Klimaveränderung. „Vor Jahren habe ich gern das Wetter im Sommer moderiert, sonnige Tage mit moderater Wärme. Doch diese Zeiten sind vorbei. Fast jeden Tag muss ich sagen: Viel zu heiß, dramatische Trockenheit, kein Regen in Sicht.“ Der Beamer wirft eine Statistik auf die riesige Leinwand hinter Claudia Kleinert. „Nehmen wir den Monat Juni und schauen wir uns die Temperatur der letzten Jahrzehnte an. Während in den 70er Jahren Tage mit mehr als 30 Grad echte „Ausreißer“ waren, überschritten in den 90er Jahren bis zu vier Tage deutlich diese Marke. 2019 hatten wir sogar sieben solcher Hitzetage.“ Die gelbe Durchschnittslinie der Tabelle zeigt unerbittlich nach oben. Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.

Angesichts der prekären Lage hat Claudia Kleinert kein Verständnis für Ignoranten und Klimaleugner. „Sie behaupten, wir würden mit unserer Berichterstattung Panikmache betreiben. Temperaturen über 30 Grad seinen ganz normal im Sommer. Doch ich sehe Fakten und Zahlen, und ich weiß, wovon ich rede.“ Und die Menschen in Bad Mergentheim und Umgebung wissen es auch. Die mörderisch heißen Sommer der letzten Jahre dürften noch in Erinnerung sein: „3. Juli 2015: Bad Mergentheim mit 37,7 Grad heute heißester Ort in Deutschland; 31. Juli 2018: Backofentemperaturen in Bad Mergentheim - Spitzenreiter in Baden-Württemberg mit 38,3 Grad; 10. August 2020: Hitzewelle – Bad Mergentheim mit 38,6 Grad heißester Ort in Deutschland.“ Die Kurstadt ist als Klimahotspot in die Schlagzeilen geraten. „Die vergangenen zehn Jahre waren global betrachtet die wärmsten in Folge. Sollte das überdurchschnittlich nasse letzte Jahr den Klimawandel etwas aus dem Blick gerückt haben, so müsste uns gerade das Jahr 2024 die Augen öffnen. Ungeachtet subjektiver Wetterwahrnehmungen, war der Februar mit einer Durchschnittstemperatur von 6,6 Grad der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen von 1881.“ Die „Wetterfrau“ spricht unangenehme Wahrheiten aus – ohne Härte und Übertreibung, aber mit unmissverständlicher Deutlichkeit: „Erstmals lag die globale Durchschnittstemperatur 1,6 Grad über dem vorindustriellen Niveau und hat damit die 2015 in der Pariser UN-Klimakonferenz festgelegte Grenze von 1,5 Grad überschritten.“

„Wetter oder Klima – was macht den Unterschied? „Während sich Wetter auf kurzfristige Ereignisse für eine bestimmte Zeit und bestimmte Orte bezieht“, erklärt Claudia Kleinert, „also auf das, was in den Wetterberichten Abend für Abend angekündigt wird, ist das Klima eine Zusammenfassung und Auswertung von Wetterbeobachtungen weltweit über eine lange Zeitspanne. Der aktuelle Zeitraum umfasst die Jahre 1991 bis 2020. Vergleichen wir die Temperaturen mit der Periode von 1850 bis 1900, müssen wir feststellen, dass wir in diesem relativ kurzen Zeitabschnitt eine Erwärmung von drei bis vier Grad zu verzeichnen haben.“ Hört sich nicht dramatisch an? Bereits geringste Temperaturveränderungen haben kolossale Auswirkungen auf Wetter, Umwelt, auf nahezu alle Lebensbereiche. „Durch die Erwärmung kann die Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen“, erläutert Claudia Kleinert die Zusammenhänge. „Wenn sich dann noch die Luftströme, die „Jet-Streams“, in der Atmosphäre verändern, hängen Hochs und Tiefs oft lange fest. Sintflutartige Regenmengen und langanhaltende Trockenperioden, wie wir sie bisher nicht kannten, sind die Folge.“

Ihre Prognose für die Zukunft ist eindeutig: „Trockene Sommer mit hohen Temperaturen, dagegen milde Winter mit viel Regen, der dann fällt, wenn ihn die Natur am wenigsten braucht. Schnee, der langsam ins Grundwasser sickert, wird seltener.“ Und auch das scheint sicher zu sein: „Der nächste Sommer wird wieder deutlich zu warm werden.“ Wie warm, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren. „Auch wenn wir heute das Wetter für eine Woche mit 60-prozentiger Treffsicherheit so genau wie vor 50 Jahren für einen einzelnen Tag vorhersagen können, ist und bleibt es doch ein chaotisches System.“ Lächelnd fügt sie hinzu: „Genau das ist es, was mich am Wetter fasziniert - seine Spontanität, seine Eigenwilligkeit und das Erkennen, dass sich trotz modernster Technik von uns Menschen nicht alles regeln, planen und kalkulieren lässt.“
„Wir müssen uns auf Veränderungen einstellen, Auswirkungen, die unser Leben bedrohen, mildern und gleichzeitig etwas gegen den fortschreitenden Klimawandel unternehmen.“ Kommunen seien in der Pflicht, eine zukunftssichere, klimafreundliche Baupolitik zu betreiben. Aufgabe von Forschung und Industrie sei es, nach neuen Lösungsansätzen zu suchen. Düstere Zeiten sind auch Zeiten der Sucher. „Ich weiß beispielsweise, dass es bereits eine vielversprechende Entwicklung in Richtung Neutralisierung von CO<sub>2</sub> gibt“, verrät Claudia Kleinert. Und wir alle, die wir spüren, dass es nicht mehr so werden wird wie früher? „Ich bin fest überzeugt, dass die Mehrheit der Menschen, allem Populismus zum Trotz, noch klar ist in der Birne!“ Nachhaltig denken, Produkte aus fairem Handel bevorzugen, im eigenen Umfeld Biodiversität fördern, erkennen, dass sich Lebensqualität nicht zwangsläufig an Konsum und Geld messen lässt - das alles könne viel bewirken. Aufmunternde Worte am Ende: „Immer, wenn Menschen zu Veränderungen gezwungen waren, ist letztlich etwas Gutes dabei herausgekommen. Menschen sind widerstandsfähig und einfallsreich. Wir werden es wuppen – wenn wir es entschlossen angehen!“

Bild + Text:  Renate Henneberger

Claudia Kleinert bei Vortrag