Wenn die Eiche vor der Esche...
Auch dieses Jahr wieder ein durchwachsener Sommer?
"Grünt die Eiche vor der Esche, gibt´s im Sommer große Wäsche!
Kommt die Esche vor der Eiche, gibt’s im Sommer große Bleiche!“,
so sagt eine alte Bauernregel. Statt dem Blattaustrieb wird mancherorts auch der Blütezeitpunkt der beiden Baumarten als Vergleich herangezogen.
Ob die Regel zutrifft, können wir diesen Sommer verfolgen. Denn gerade treiben in unserer Region viele Eichen mit Macht aus, während die Eschen sich noch ein wenig Zeit lassen.
Bewahrheitet sich die Regel diesen Sommer wieder, wäre das sehr gut für unsere Bäume: Nach einem unbeständigem Sommer 2021 wäre ein ähnlicher Witterungsverlauf in diesem Jahr für den Wald eine zweite Möglichkeit, sich von den Auswirkungen der Trockenjahre 2017-2020 weiter zu erholen. Dagegen einen erneuten Hitzesommer mit krassem Regendefizit über Monate würden viele unserer grünen Sauerstoffspender wohl nicht überstehen. Nach feuchtem Winter 21/22 und einem sehr trockenen März brachte zumindest der April im Taubertal ausreichend Niederschlag, den die Vegetation in Wald und Flur für einen explosionsartigen Austrieb derzeit nutzt.
Wie wird nun der Sommer bei uns, wenn man die Bäume beobachtet?
Dazu müssen Eichen und Eschen erst unterschieden werden können. Das typische Eichenblatt, größte Breite im vorderen Drittel, kurviger (gelappter) Rand, am Stiel am schmalsten, sitzt bei der in Nordwestdeutschland dominierenden Stieleiche nahezu unmittelbar am Zweig ohne Blattstiel. Dafür sitzen die Früchte an Stielen. Die Früchte der Traubeneiche sind traubenartig angeordnet (daher der Name) und das Blatt ist gestielt.
Frisch ausgetriebene Eichenblätter mit Eichenblüten
Bei den Eschen ist das Blatt dagegen gefiedert aus neun bis dreizehn einzelnen, eiförmig-lanzettlichen und fein gezähnten Fiederblättern, die links, rechts und an der Spitze des rund zwanzig Zentimeter langen Blattstiels sitzen. Dadurch wirken Eschen immer sehr licht. Sowohl Eiche als auch Esche wachsen zu bis zu 40 Meter hohen Bäumen mit mächtigen Kronen heran. Sie sind typische Waldbäume Mitteleuropas und wachsen auch vielfach in der Feldflur und dörflichen Siedlungsrändern als Baumreihen oder Einzelbäume.
Aus schwarzen Eschenknospen frisch ausgetriebene Fiederblätter
Die Eschenblüte findet meist vor dem Blattaustrieb statt
Mikrokosmos Altbaum
Während die Esche feuchte Standorte bevorzugt, wächst die Eiche auf fast allen Böden von nass-feucht bis trocken. Dass die eine Eiche immer schon voll ergrünt und die benachbarte immer noch kahl ist, ist genetisch fixiert und ermöglicht dem Eichenbestand, sich auf über Jahrzehnte ändernde Umweltbedingungen (längere oder kürzere Winter) einzustellen. Große alte Eschen und Eichen mit ihrer rauen, grobrissigen Borke bieten einer Vielzahl von Tieren Lebensraum. Stieleichen beherbergen dabei die artenreichste Begleitfauna mit weit mehr als tausend Arten von Käfern, Schmetterlingen, Blatt- und Gallwespen und vielen anderen Insekten, Spinnen, Schnecken…
Doch nicht nur die Dürre macht den Bäumen zu schaffen. Krankheiten kommen hinzu. Die Esche wird dabei von einer seit 2007 nachgewiesenen Pilzerkrankung heimgesucht, dem Eschentriebsterben, das ganze Bestände bedroht.